Besichtigung des Sternstunden-Therapiehauses Würzburg

29. Januar 2015

Auch Pippi Langstrumpf und Karlsson vom Dach würden heute wohl in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Würzburger Uniklinik behandelt: Die Einführung von Fallpauschalen (PEPP) wird komplizierten psychischen Erkrankungen jedoch nicht gerecht

Sternstunden-Haus
Die Abrechnung in Fallpauschalen verhindert eine angemessene Versorgung psychisch kranker junger Menschen. Bei einer Besichtigung des Sternstunden-Therapiehauses des Würzburger Universitätsklinikums machten sich (von links) die SPD-Landtagsabgeordneten Georg Rosenthal, Volkmar Halbleib, Gesundheitsexpertin MdB Sabine Dittmar ein Bild von der Situation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Klinikleiter Professor Marcel Romanos (rechts) und Professor Christoph Reiners (links) führten durch das neue Sternstunden-Therapiehaus.

Als „Würzburger Modell“ ist sie überregional bekannt. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Würzburger Universitätsklinikums schafft es wie kaum eine andere Einrichtung ihrer Art, Klinik, Jugendhilfe und Schule miteinander zu verbinden. Die Einführung von Fallpauschalen wie sie bereits seit 2003 für Krankenhäuser gelten, bedroht jedoch die erfolgreiche Arbeit mit psychisch schwer angeschlagenen jungen Menschen in der Füchsleinstraße.

Bei einer Besichtigung des erst im Oktober eröffneten Sternstunden-Therapiehauses der drei unterfränkischen SPD-Landtagsabgeordneten Georg Rosenthal, Volkmar Halbleib und Kathi Petersen sowie der Bundestagsabgeordneten und SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar kritisierte Rosenthal eine Abrechnung nach den Kriterien des PEPP-Katalogs als nicht angemessen: „Wir haben es hier mit Kindern zu tun, die unter hochkomplizierten Krankheiten leiden“, stellte Rosenthal, der den Bau des dreistöckigen Gebäudes in seiner Zeit als Oberbürgermeister intensiv begleitet hatte, als Sprecher der Unterfranken-SPD fest. „Psychische Leiden wie eine Depression lassen sich doch nicht in ein auf Krankheitstage ausgelegtes Abrechnungssystem pressen.“

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie verfügt über 14 stationäre Plätze für schwerkranke Kinder und Jugendliche. Obwohl erst im vergangenen Jahr erweitert, ist die Klinik dauerhaft überbelegt. „Noch immer arbeiten wir hier an der Grenze des Möglichen“, stellte Klinikleiter Professor Marcel Romanos fest. Schuld daran, erklärte er, seien rasch steigende Erkrankungszahlen. Es sei davon auszugehen, dass mindestens zehn Prozent der Kinder psychisch so instabil sind, dass sie einer psychischen Behandlung bedürfen. „Pippi Langstrumpf, Karlsson vom Dach und Michel aus Lönneberga wären heute unsere Patienten“, sagte er scherzhaft, aber mit ernstem Unterton.

Kritikern einer stationären Unterbringung entgegnet der Arzt: „Würde man hier morgen die Türen öffnen, wäre ein Großteil der Kinder binnen weniger Tage Tod.“ Viele der Kinder, die an Angststörungen, an Schizophrenie, einer Aufmerksamkeitsstörung, Autismus, Borderline oder akuten Depressionen leiden, würden einen Ausweg aus ihrem Leiden im Selbstmord suchen. „Die Jugendlichen sind in der Regel froh, dass sie hier einen neuen Halt finden.“ Die Unterbringung in dem rettenden Hafen Kinder- und Jugendklinik ist freilich nicht von Dauer: Im Durchschnitt bleiben die jungen Leute 16 Tage.

Wie kann es so weit kommen, dass junge Menschen ohne fremde Hilfe nicht mehr klarkommen. Sind es die Familien, die krank machen? Ist es die Umwelt? Oder sind es die Gene? Professor Romanos hält Schuldzuweisungen für falsch. Nüchtern stellte er fest: „Psychische Erkrankungen sind Teil unserer Gesellschaft.“

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