Gesundheitspolitik: Es braucht die Apotheke im Ort

Sabine Dittmar, MdB

08. Dezember 2016

Die medizinische Versorgung auf dem Land ist Thema im Bundestag. MdB Sabine Dittmar zu Problemen bei der Ärzteplanung bis zu sinkenden Apothekenzahlen.

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Die Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar (SPD) erklärt im Interview, wie sie Apotheker vor Ort stärken will, warum sich die Bad Brückenauer Hoffnung auf einen Kinderarzt machen können und warum Telemedizin trotz allen Potenzials eine ambulante Versorgung nicht ersetzen kann.

Der Europäische Gerichtshof hat im Oktober die Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente in Deutschland für unzulässig erklärt. Was bedeutet das für die kleine Apotheke vor Ort?

Sabine Dittmar:

"Die Preisbindung in Deutschland ist nicht gekippt. Das ist der Knackpunkt. Der EuGH hat festgestellt, dass die deutsche Medikamentenpreisbindung für den freien Warenverkehr in Europa ein Hindernis ist. Wir haben die schwierige Situation, dass die deutschen Offizin- und Versandapotheker sich bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an die deutsche Preisbindung halten müssen, während europäische Versandapotheken Boni gewähren können. Wie sich das auf den Markt auswirkt, ist alles noch Spekulation. Ich kann aber die Sorgen unserer Apotheker verstehen, dass sie in einen ruinösen Preiswettbewerb getrieben werden."

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Die Ärzteversorgung ist ein weiteres Thema, das den ländlichen Raum betrifft. Bad Kissingen gilt als überversorgt, trotzdem stehen Patienten vor Problemen: Die Wartezimmer sind voll, Hausärzte nehmen keine Patienten mehr auf, im Altlandkreis Bad Brückenau findet sich kein einziger Kinderarzt. Läuft da bei der Bedarfsplanung nicht einiges schief?

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"Bei den Hausärzten haben wir in der letzten Bedarfsplanung einen kleinen Erfolg erreicht; nämlich, dass der Landkreis Bad Kissingen in drei Planungsbereiche aufgeteilt worden ist. Er wird jetzt nach Bad Kissingen, Bad Brückenau und Hammelburg getrennt betrachtet. Im Stadtbereich Bad Kissingen haben wir mehr Ärzte als im Randbereich, so dass es Sinn macht, sich alles kleinteiliger anzuschauen.

Ich bin froh, dass wir beim Versorgungsstärkungsgesetz auch drinnen haben, dass in der folgenden Ärztebedarfsplanung genauer auf die fachkundliche Spezialisierung geschaut wird. Es bringt mit nichts, wenn ich fünf Kardiologen habe, aber der Diabetologe kriegt keine Zulassung, weil wir mit Internisten überversorgt sind. Auch Parameter wie die Bevölkerungsstruktur sollen eine stärkere Rolle spielen. Ich muss eine Region, in der viele ältere Menschen leben, anders beplanen als einen aufstrebenden Stadtteil mit vielen jungen Familien."

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Die Kinderärzte werden aktuell noch auf den gesamten Landkreis beplant. Der Planungsbereich wird kleinteiliger, so dass man schaut, was ist denn in Bad Brückenau, was ist in Hammelburg? Und dann sieht man: In Bad Brückenau ist nichts. Ich glaube, das ist ein erster Schritt, um Abhilfe zu schaffen.

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Müssen sich die Patienten langfristig darauf einstellen, von Ärzten nur noch telemedizinisch über größere Entfernungen behandelt zu werden?

"Telemedizinische Strukturen werden eine ambulante Versorgung niemals ersetzen. Aber sie können ergänzen und erleichtern, und zwar nicht nur in der Zusammenarbeit zwischen einer Klinik und einem niedergelassenen Arzt, sondern auch zwischen Ärzten und Senioreneinrichtungen."

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Muss man sich damit abfinden, dass es hier langfristig keine Geburtshilfe geben wird, getreu dem Motto: einmal weg, immer weg?

"Das kann ich so nicht beantworten. Wenn sich Hebammen zusammentun und sagen, wir gründen ein Geburtshaus, dann ist das sicherlich möglich. Es bleibt aber die Frage, inwieweit dieses angenommen würde. Es sind ja Krankenhäuser mit Geburtsabteilungen erreichbar. Im Allgemeinen suchen sich die Leute die Geburtsstation lange vor der Geburt aus. Und bei Helios haben die Leute wohl mit den Füßen abgestimmt."

Das Gespräch führte Benedikt Borst, der Artikel ist zu finden in der MAINPOST

Bild: Achim Melde / Deutscher Bundestag

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