Gesundheitspolitik heute: Bürgerversicherung und ärztliche Versorgung im ländlichen Raum

11. April 2013

Bad Kissingen/Rhön-Grabfeld/Haßberge
Auf großes Interesse stieß der SPD-Zukunftsdialog unter dem Motto „Gesundheitspolitik heute“, zu dem die Abgeordnete Susanne Kastner Ärzte und Klinikvertreter aus den drei Landkreisen ihres Wahlkreises ebenso begrüßen konnte wie Vertreter von Selbsthilfegruppen und zahlreiche Kommunalpolitiker. Als prominente Unterstützung hatte Kastner ihre Kollegin Dr. Carola Reimann, die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag, und die örtliche Landtagsabgeordnete und Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar mitgebracht.

Dittmar, die sich im Herbst für das Bundestagsmandat bewirbt und damit nach über zwei Jahrzehnten die Nachfolge von Susanne Kastner antreten möchte, äußerte in ihrer kurzen Einführung als ehemalige Hausärztin die Sorge um die Zukunft der medizinischen Versorgung gerade im ländlichen Raum. Sie kritisierte in diesem Zusammenhang die Landespolitik in Bayern und setzt sich für eine Stärkung der Allgemeinmedizin an den Hochschulen im Freistaat ein, um den Nachwuchs für den Beruf des Hausarztes zu begeistern.
Auch die Bereiche Prävention und Rehabilitation sieht sie in der aktuellen Gesundheitspolitik nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei wäre eine gute Vor- und Nachsorge im medizinischen Angebot für die Menschen ein Gewinn und könnte zudem die hiesige Gesundheitsregion nachhaltig stärken. Diese Argumentation griff auch Dr. Reimann auf, die in ihrem Diskussionsbeitrag bedauerte, dass zahlreiche von der damaligen Gesundheitsministerin Schmidt eingeführten Präventionsprogramme von der Schwarz-Gelben Bundesregierung nicht verlängert worden seien. Dabei waren diese Mittel sehr sinnvoll angelegt, um chronische Volkskrankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Leiden langfristig einzudämmen. Schulungen von der Kinderkrippe an seien für die Gesellschaft unter dem Strich günstiger als die Folgekosten dieser weit verbreiteten Krankheiten, die häufig durch unausgewogene Ernährung und zu wenig Bewegung verursacht würden.
Die Finanzen waren ein weiterer Aspekt, auf den die Abgeordnete einging. Die SPD kämpfe seit Jahren für eine Bürgerversicherung. Das Zwei-Klassen-System in der Medizin mit allgemeinen und privaten Kassen sei veraltet. Alle Bürgerinnen und Bürger müssten in die Krankenkassen aufgenommen werden, unabhängig von ihrem Krankheitsrisiko oder gar Gesundheitsprüfungen. Je nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit würden sie mit anteiligen Beiträgen auf ihr Einkommen beteiligt und hätten dann Anspruch auf eine einheitliche medizinische Versorgung. Dazu gehörten auch wohnortnahe und gut ausgestattete Krankenhäuser. Leider würden in Deutschland zwar die meisten Operationen durchgeführt, aber es stelle sich die Frage, ob diese tatsächlich alle notwendig seien und auch die Qualität stimme. Mitunter habe sie den Verdacht, dass die Abrechnungsmöglichkeit einer Behandlung einen höheren Stellenwert als die Sinnhaftigkeit habe. Aber es sei heute natürlich nicht einfach, kleine Krankenhäuser auf dem Land mit möglichst geringem Defizit zu führen. Ein weiteres Problem im ländlichen Raum sei die niedrige Facharztquote. Während in den Ballungszentren häufig eine Überversorgung herrsche, müssten Patienten hier oft wochen- und monatelang auf Termine warten oder weite Wege in Kauf nehmen. Dr. Reimann forderte daher eine enge Zusammenarbeit von Gesundheits- und Bildungsministerium sowie eine Einbindung der Kultusministerien der Länder, um wieder eine höhere Versorgungsbereitschaft bei den jungen Ärzten zu erreichen. In der Zukunft werde es sicher andere Modelle geben, als sie die Patienten heute kennen. Gemeinschaftspraxen, Ärztehäuser und medizinische Versorgungszentren könnten auch in dünner besiedelten Regionen die ärztliche Versorgung sicherstellen und den Beruf wieder attraktiver gestalten, wobei auch die Telemedizin eine wichtige Rolle spielen könne. Damit habe man in Israel, aber auch in den skandinavischen Ländern sehr gute Erfahrungen gemacht. Deutschland werde weltweit um sein hervorragendes Gesundheitssystem beneidet. Um dieses angesichts der demografischen Herausforderungen zu erhalten, müssten alle Beteiligten eng zusammenarbeiten und auch die Kommunen mit einbezogen werden.
Den Ausführungen der Politikerinnen folgte eine lebhafte Diskussion, an der sich neben den anwesenden Ärzten auch Patienten und eine angehende Medizinstudentin mit spannenden und auch kritischen Beiträgen beteiligten. Übereinstimmend wurde festgestellt, dass eine umfassende medizinische Grundversorgung heute wohl kaum mehr kostendeckend geleistet werden könne. Dabei wurden auch ganz spezielle Themen wie die Kosten für Prothesen und Implantate bei unterschiedlichen Operationszahlen angesprochen. Die Mitglieder einer Selbsthilfegruppe kritisierten Änderungen bei der Betreuung von chronisch Kranken, die zum Abbau von Leistungen führten und für die Betroffenen schwer verständlich seien. Eine junge Abiturientin aus Rhön- Grabfeld, die Medizin studieren möchte, wurde von den Politikerinnen bestärkt, diesen Weg einzuschlagen, sich neuen Entwicklungen gegenüber offen zu zeigen und nach ihrem Studium wieder in die Heimatregion zurückzukehren. Susanne Kastner und Sabine Dittmar dankten Dr. Carola Reimann für ihre kompetenten Antworten auf die aktuellen Fragen der Gesundheitspolitik und für einen langen und lebendigen Diskussionsabend.

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