Schon in der kommenden Woche soll der Bundestag erstmals über Coronavirus-Impfungen in Apotheken beraten. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Sabine Dittmar, erklärt im PZ-Interview, warum sie den Widerstand ihrer Ärzte-Kollegen gegen Apotheken-Impfungen nicht versteht, warum Apotheker nur auffrischen sollten und was sie zu den Gerüchten sagt, nach denen sie Bundesgesundheitsministerin wird.
Dittmar: Wir arbeiten derzeit schon an einem Änderungsantrag zu einer weiteren Novellierung des Infektionsschutzgesetzes. Wir wollen die Apotheken-Impfungen im Gesetz festhalten. Geplant ist, entsprechende Änderungen schon in der kommenden Woche erstmals im Bundestag zu beraten und in der darauffolgenden Woche zu beschließen. (Hinweis der Redaktion: Die PZ hat bereits über den Entwurf berichtet.)
Dittmar: Aus meiner Sicht macht das nur bei Krankenpflegern Sinn, wenn diese in Altenheimen von Ärzten mit den Impfungen beauftragt werden. Bei Apotheken favorisiere ich eine dauerhafte, gesetzliche Regelung, die dann auch flächendeckend in ganz Deutschland zur Anwendung kommt. Zeitgleich kann es aber sein, dass wir die Impfverordnung anpassen müssen.
Dittmar: Wir müssen die Frage klären, welche Impfstoffe in den Apotheken und von Apothekern verimpft werden dürfen. Es macht Sinn, dass aufgrund möglicher Anaphylaxien Erstimpfungen mit mRNA-Impfstoffen weiterhin nur von Ärzten angeboten werden, dass Apotheker also in erster Linie Auffrischimpfungen mit mRNA-Impfstoffen übernehmen. Sollte die Erstimpfung mit Johnson&Johnson oder Astra-Zeneca erfolgt sein, wäre es sinnvoll die mRNA-Auffrischung nur in Arztpraxen zu machen.
Dittmar: Nein, diesen Widerstand der Kollegen verstehe ich einfach nicht. Ich bezweifle auch, dass sich viele Kollegen solchen Aufrufen anschließen werden. Denn jede Arztpraxis weiß, wie wichtig die Zusammenarbeit mit der Apotheke vor Ort ist. Für mich ist einfach klar: Jeder Impfende zählt und ist wichtig, um die Impfquote zu erhöhen.
Dittmar: Wie gesagt, jeder der die Impfkampagne unterstützt, ist wichtig. Außerdem war die ABDA sehr positiv gestimmt und hat uns versichert, dass die Kammern sofort loslegen könnten mit den Schulungen.
Dittmar: Ich war anfangs strikt gegen eine Impfpflicht. Damals sagten uns alle Umfragen, dass sich 85 Prozent der Bundesbürger impfen lassen würden. Wir müssen jetzt aber klar sehen, dass wir das nicht geschafft haben. Wir haben weiterhin eine Lücke von 16 Millionen ungeimpften Personen. Alle Experten und Wissenschaftler sagen uns: Wenn es uns nicht gelingt, diese zu immunisieren, werden wir noch mehrere Wellen des Coronavirus erleben.
Dittmar: Ich kann es auch nicht verstehen, warum viele noch zögern. Ich finde es schlimm, dass sich in den sozialen Medien wirklich hartnäckig Mythen über die Impfstoffe halten, die den Menschen Angst machen. Für mich ist klar: Wir müssen auch unsere Aufklärungskampagne verbessern. Die Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist ein gutes Beispiel: Das könnte aus meiner Sicht ansprechender gestaltet sein.
Dittmar: Für Ungeimpfte wird sich der Alltag gehörig ändern. Die 2G-Regelungen im Einzelhandel, Gaststätten und bei Veranstaltungen werden flankiert von Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte im privaten Bereich. Wenn schon diese Maßnahmen sofort umgesetzt und auch streng kontrolliert würden, wäre ich sehr dankbar. Komplette Lockdowns sehe ich derzeit eigentlich nur in wirklichen Hot Spots. Ich möchte aber daran erinnern, dass die Länder schon jetzt laut Infektionsschutzgesetz die Möglichkeit haben. Sie müssen sie halt nutzen.
Dittmar: Das war für uns in der Tat ein Kommunikationsspagat. Einerseits war es allen drei Parteien sehr wichtig, dass wir Fragen, die die Grundrechte der Bundesbürger derart betreffen, künftig ausschließlich im Bundestag besprechen. Gerade der SPD war dieser rechtliche Aspekt sehr wichtig. Klar ist aber, dass wir mit Blick auf die Virus-Ausbreitung weiterhin umfangreiche Maßnahmen brauchen. Deswegen haben wir in unserem Gesetz die Länder mit weitreichenden Möglichkeiten ausgestattet, damit sie auf mögliche Lagen reagieren können.
Dittmar: Das sind alles Spekulationen und Gerüchte, zu denen ich mich nicht äußern möchte. Die SPD wird ihre Kandidatinnen und Kandidaten in Kürze vorstellen.
Das Interview führte Benjamin Rohrer für die Pharmazeutische Zeitung online