Namentliche Abstimmung zur Regelung der Sterbebegleitung

Sabine Dittmar, MdB

06. November 2015

am 6. November 2015

Ich werde alle vier Gesetzesentwürfe ablehnen, da ich eine Verbotsregelung durch das Strafgesetz mit all seinen möglichen Konsequenzen auch für die Palliativmedizin für unverhältnismäßig halte.
Suizid ist straffrei, die Beihilfe zum freiverantwortlichen Suizid auch. Das gilt vor dem Strafgesetz für alle, auch für Ärzte. Diese Regelung ist seit 1871 Gesetz, ohne dass es bislang zum Dammbruch oder gesellschaftlichen Verfall gekommen ist, wie von den Verbotsbefürwortern immer wieder als Begründung für eine strengere Regelung angeführt wird. Ich sehe diese Gefahr auch fast 150 Jahre später nicht.

Im Gegenteil, durch die kontinuierliche Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung werden den Menschen Ängste vor Schmerz, Siechtum und Einsamkeit in der letzten Lebensphase weiter genommen. Aber es gibt Menschen, deren Sterbewunsch trotz aller Bemühungen bestehen bleibt. Das müssen wir respektieren. In diesen Fällen sollte ein Arzt nach sorgsamer Abwägung eine sorgfältige Gewissensentscheidung treffen dürfen, ohne befürchten zu müssen, ins Visier der Staatsanwaltschaft zu geraten oder Maßregelungen durch seine Ärztekammer zu erfahren.

„Die Aufgabe des Arztes ist es, Leben zur erhalten, Leid zu lindern sowie Sterbenden Beistand zu leisten. Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe.“ Diese Grundsätze der BÄK gaben hinreichend Orientierung und haben gleichzeitig der Ärzteschaft den notwendigen Entscheidungsspielraum gelassen, um in Grenzsituationen eine eigene, sorgsam überlegte Entscheidung treffen zu können.

Durch die im Sommer 2011 verabschiedete explizite Verbotsregelung in der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer wurde dieser Handlungsspielraum allerdings eingeschränkt. So wird im § 16 die Beihilfe zur Selbsttötung explizit verboten.

Seitdem haben wir in Deutschland in den 17 Landesärztekammern unterschiedliche Regelungen zur Sterbebegleitung, da die Regelung nicht von allen Landesärztekammern übernommen wurde – auch nicht von der Bayerischen. Natürlich ist auch mir das Treiben bestimmter Vereine, die Sterbehilfe außerhalb des etablierten medizinischen Betriebes leisten wollen, ein Dorn im Auge. Der Wunsch, diese kommerzielle Sterbehilfe zu verbieten, ist verständlich - aber leider nicht so einfach umzusetzen.

Der Brand/Griese Entwurf (Dr. 18/5373) zielt auf das Verbot der Geschäftsmäßigkeit, was eine auf Wiederholung angelegte Tätigkeit voraussetzt. Hiermit wird die auf Gewinn ausgelegte Suizidbeihilfe erfasst – aber leider eben nicht nur diese. Das Problem ist, dass dadurch auch das Tun von Palliativmedizinern erfasst zu werden droht oder zumindest in eine strafrechtliche Grauzone gerückt wird. Dies wurde nicht nur in einem Aufruf von über 140 Strafrechtsprofessoren thematisiert, sondern bei der öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag am 23. September 2015 sowohl von Juristen als auch von Medizinern bestätigt.

Allerdings kann ich auch dem Entwurf von Hintze/Lauterbach/Reimann (Dr. 18/5374) mit der Kriterienvorgabe für ärztlich assistierten Suizid nichts abgewinnen. Dass das bestehende Strafrecht kein stumpfes Schwert ist und dass bei Verdacht auf einen nicht freiverantworteten Suizid gehandelt und ermittelt wird, zeigen die laufenden Verfahren.

Meine Haltung ist, anstelle eines neuen Straftatbestandes sollte vielmehr das ärztliche Standesrecht für Klarstellung sorgen. Das Standesrecht sollte Umfang und Grenzen des ärztlichen Tuns aufzeigen, ohne dabei die Gewissensentscheidung des Einzelnen einzuschränken.
Aus diesem Grund lehne ich alle vier Entwürfe ab.

Hier finden Sie das Wortprotokoll zur Öffentlichen Anhörung Sterbebegleitung vom 23.09.2015

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