Seit ungefähr einem Monat gibt es Hoffnung auf die baldige Zulassung von Impfstoffen. Aber: Nicht alle trauen der Sache. Zwei Experten beantworten die Fragen, die viele derzeit im Kopf haben.
Der Impfstoff gegen das Corona-Virus liegt zum Piksen nah. Doch ungefähr die Hälfte der Deutschen würde sich nicht ohne Vorbehalte impfen lassen. Sie haben zu viele Fragen, es tun sich für sie zu viele Unsicherheiten auf. Was ist eigentlich dieses mRNA-Verfahren? Verändert es meine DNA? Und wie kann es sein, dass die Zulassung so schnell ging? Was ist mit Impffolgen? In einem Gespräch mit der Redaktion gaben der Würzburger Biologe Dr. Sebastian Schneider und Sabine Dittmar (SPD) Antworten. Dittmar ist Bundestagsabgeordnete unseres Wahlkreises, dazu Gesundheitspolitische Sprecherin der SPD und war zuvor praktizierende Ärztin.
Die zwei aussichtsreichen Impfstoffe sind sogenannte mRNA-Impfstoffe. Ein Verfahren, das noch nie bei Impfstoffen angewandt wurde. Normalerweise wird der tote oder abgeschwächte Erreger in den Körper injiziert, auf diesen soll das Immunsystem reagieren. Im neuen Verfahren wird die Virus-mRNA injiziert. Das ist ganz vereinfacht gesagt der Bauplan eines bestimmten Teils des Virus.
"Die mRNA wird von unserem Körper genutzt, um Virusproteine selbst herzustellen, die dann wiederum eine Immunreaktion auslösen, was dann langfristig hoffentlich zur Immunität führt", sagt Sebastian Schneider. Sabine Dittmar ergänzt: "Das ist für die Medizin keine neue Technologie. Vielleicht im Bereich der Impfstoffe, aber im Bereich der Onkologie, also bei Krebserkrankungen, forscht man schon sehr lange mit der mRNA."
Das räumt Schneider aus. Denn der Körper bräuchte ein gewisses Enzym, um diese mRNA in DNA umzuschreiben. Das Enzym hat unser Körper aber nicht. Dittmar sagt: "Seit mehreren Jahren forschen wir in der Onkologie mit dieser Technologie. So etwas ist bislang noch nicht aufgetreten."
Impfungen hätten der Menschheit in den vergangenen 200 Jahren "wahnsinnig geholfen", sagt Sebastian Schneider. "Ein großes Problem ist aber, dass keiner abends ins Bett geht und sagt: ‘Juhu, ich bin schon wieder nicht an Polio gestorben, ich bin schon wieder nicht an Masern gestorben.'" Er versichert: "Alle unsere Impfstoffe, die zugelassen sind, sind weitgehend nebenwirkungsfrei." Abgesehen, räumt er ein, von kleineren Problemen, wie Rötung der Haut oder leichte Fiebersymptome.
Doch das Internet spiele bei der grundsätzlichen Abwehrhaltung gegenüber Impfungen eine Rolle. In den 90ern hatte der britische Arzt Andrew Wakefield in einer Studie vor Schutzimpfungen gewarnt, weil diese Autismus auslösen würden.
Schneider sagt: "Die Studie wurde relativ schnell widerrufen, der gute Mann hat seinen Doktortitel verloren, aber dieses Gerücht war im Umlauf und durch das Internet natürlich unfassbar verstärkt. Doch wahrscheinlich ist keine Studie auf der Welt so gut widerlegt wie diese." Dennoch hat sich das Gerücht bis heute gehalten, wird noch immer im Netz verbreitet und wird von Impfgegnern als Argument zitiert.
Normalerweise dauert es grob zehn bis 20 Jahre, von der Suche bis Zulassung eines Impfstoffes. Daher wundern sich manche, wie die jetzigen Impfstoffe nur nach wenigen Monaten Forschung zugelassen werden sollen. Dittmar sagt: "Zum einen hat die Forschung nach einem Impfstoff gegen Corona absolute Priorität in allen Labors gehabt. Da ist also viel in den Hintergrund gerückt."
In die Forschung sei außerdem viel Geld geflossen. Die Wissenschaftler hätten zudem von Anfang an ihre Ergebnisse veröffentlicht, sich miteinander vernetzt und ausgetauscht. Das sei zuvor noch nie da gewesen. "Die beiden Impfstoffe, die derzeit aktuell im Gespräch sind - der von Moderna und der von Biontech und Pfizer - haben alle drei klinischen Phasen durchlaufen", sagt sie.
In diesen Phasen wird der Impfstoff an Menschen getestet. Phase 3 entspricht mehreren Tausend Menschen. "Dabei ist ganz genau festgelegt, was in diesen Phasen alles überprüft werden muss." Also die Wirksamkeit, die Qualität und die Unbedenklichkeit eines Impfstoffes.
"Wenn die Phase 3 beendet ist, kann der Wirkstoff vorläufig zugelassen werden, weil er als sicher gilt", sagt der Biologe. In einer anschließenden Phase 4 würden dann Langzeitfolgen und die Routineanwendung erforscht. Eine Frage sei beispielsweise, wie lange die Impfung wirke.
Eine weitere Neuheit: das Rolling-Review-Verfahren. Es bedeutet, dass die Forscher fortlaufend Daten zum Impfstoff aus der klinischen Prüfung direkt zur Zulassungsbehörde schicken und bewerten lassen, sagt Dittmar. "Fertige Studienprotokolle gingen sofort an die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA), sodass die Experten schon am Anfang einen guten Überblick hatten."
So beurteilte die EMA direkt die Chancen, ob ein nächster Studienschritt überhaupt lohnenswert wäre. Das habe die Firmen dazu ermutigt, mit ihrer Produktion nicht zu warten, bis die Zulassung da ist. Normalerweise würden die Ergebnisse erst gesammelt und möglicherweise noch in einer Fachzeitschrift veröffentlicht, bevor sie zur Zulassungsbehörde gehen.
Ganz seltene Nebenwirkungen würden oft erst in der Langzeitanwendung sichtbar. Dabei handle es sich um Probleme, die in einem von 10 000 oder 100 000 Fällen auftreten können. "Bislang sind keine schwerwiegenden Komplikationen aufgetreten", sagt die SPD-Abgeordnete. Wissenschaftler sagen zudem, dass Nebenwirkungen vor allem in den ersten zwei Monaten nach einer Impfung auftreten.
Beide Experten beruhigen Impfkritiker auch mit dieser Aussage: Sollte es zu Nebenwirkungen nach der Impfung kommen, könnte jede einzelne Dosis zurückverfolgt werden. Wenn Hausärzte bemerken, dass es zu Komplikationen kommt, müssen sie das sofort an die Ärztekommission melden.
Gänzlich ausschließen könne man Impfschäden aber natürlich nicht. "Ein Nie gibt es in der Medizin nie", macht die ausgebildete Ärztin klar. "Dass Impfschäden vorkommen, ist aber sehr selten. Ich habe es in meiner Laufbahn noch nie erlebt." Man müsse immer Risiko mit Nutzen abgleichen. Das Risiko des Corona-Virus sei besonders für die anfälligen Gruppen unserer Gesellschaft viel höher, als das Risiko, das nach aktuellen Erkenntnissen an Nebenwirkungen zu erwarten ist.
Zum Abschluss rät Schneider: "Jeder hat Zugang zu einem Fachmann, nämlich zu seinem Hausarzt. Und dem sollte er in der Regel auch vertrauen. Lieber noch mal beim Hausarzt nachgefragt, der kann die Sorgen besser zerstreuen, als wir das durch ein Zeitungsinterview können."
Im Tattersall in Bad Kissingen wird das Impfzentrum für diesen Landkreis sein.
Der Artikel erschien auf infranken.de
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