„Wir unterstützen die Krankenhäuser beim Strukturwandel“

15. Februar 2018

Ist die Versorgung mit Krankenhäusern im ländlichen Raum gefährdet? Davor warnt Die Linke und verweist auf Zahlen aus der Bundesgesundheitsberichterstattung. Im DEMO-Interview antwortet darauf Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

DEMO: Die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland ist nach aktuellen Zahlen stetig gesunken: Von 2.411 im Jahr 1991 auf 1.951 im Jahr 2016. Hatten wir früher zu viele oder jetzt zu wenig?

Sabine Dittmar: Eine solche Debatte können Sie nicht nur an einer Zahl festmachen. Ein Beispiel: Wir haben zwar weniger Krankenhäuser und auch weniger Betten, aber in den Krankenhäusern werden über ein Drittel mehr Fälle behandelt. Heute sind es um die 21 Millionen, Anfang der 90er waren es um die 14 bis 15 Millionen. Fakt ist aber auch, dass wir nach wie vor das dichteste Versorgungsnetz in Europa haben.

Tatsächlich ist die Zahl der Betten seit Beginn der 90er Jahre gesunken, nämlich um etwa 167.000 Wie ist es zu erklären, dass es trotzdem mehr Behandlungen gibt?

Es gibt eine Vielzahl von Gründen. Zum einen die Tendenz zur Spezialisierung und Zentrenbildung in der Krankenhauslandschaft. Auch die Patienten wollen vermehrt dorthin, wo eine Klinik einen guten Ruf hat und Spezialisten am Werk sind. Dass die Zahl der Behandlungen steigt, liegt auch am medizinischen Fortschritt. Wir können heute mehr und besser diagnostizieren und behandeln als vor 30 Jahren. Und die Strukturen haben sich verändert: Es gibt heute eine deutlich kürzere stationäre Verweildauer und mehr ambulante Behandlungen. Ich habe Anfang der 90er Jahre noch selbst in einem Krankenhaus gearbeitet. Damals wurde man für eine Darmspiegelung stationär eingewiesen und musste im Krankenhaus übernachten. Das passiert heute alles ambulant. Ähnlich ist es bei Herzkatheter-Untersuchungen. Deshalb darf man nicht nur auf die Zahl von 450 Krankenhäusern blicken, die es heute weniger gibt als vor 25 Jahren.

Die Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann kritisierte kürzlich: „Krankenhausschließungen gefährden die medizinische Versorgung in der Fläche, gerade in ländlichen Regionen.“ Hat sie Recht?

Ich will nicht ausschließen, dass es in manchen Regionen Probleme gibt. Aber so pauschal kann man die Aussage nicht machen. Wir haben in Deutschland nach wie vor ein sehr dichtes Krankenhausnetz. Allerdings gibt es in den Bundesländern völlig verschiedene Strukturen. In meinem Bundesland Bayern haben wir in den letzten 30 Jahren gerade einmal 15 Krankenhäuser „verloren“. Das heißt aber nicht automatisch, dass wir eine bessere Versorgung hätten als in anderen Bundesländern. Entscheidend ist immer die Frage der Qualität. Viele Patientenbefragungen haben gezeigt: Die Menschen fahren auch gerne für einen planbaren Eingriff ein paar Kilometer weiter, wenn sie wissen, dass dort der medizinische Standard besonders hoch ist.

Auf der anderen Seite komme ich auch selbst aus dem ländlichen Raum. In meinem Wahlkreis (248 – Bad Kissingen, d. Red.) gibt es einen Landkreis mit zwei Kreiskrankenhäusern, die sich wirtschaftlich in einer nicht einfachen Lage befinden. Es ist sehr schwierig, hier eine wirtschaftlich tragfähige Lösung zu finden, die auch den Bedürfnissen der Bürger gerecht wird.

Als Bundesgesetzgeber haben wir uns das Thema Erreichbarkeit, gerade im ländlichen Raum und in strukturschwachen Regionen, auf die Fahne geschrieben. Das wollen wir nicht komplett den Ländern überlassen. In der vergangenen Legislaturperiode haben wir einen Fonds eingerichtet, um die Krankenhäuser gemeinsam mit den Ländern beim Strukturwandel und bei Qualitätsanpassungen zu unterstützen. Wenn die SPD-Mitglieder den Koalitionsvertrag annehmen, werden wir das verstetigen und in den nächsten vier Jahren jährlich eine Milliarde Euro mobilisieren – 500 Millionen kommen aus dem Gesundheitsfonds und 500 Millionen Euro müssen die Länder kofinanzieren.

Was soll sich bei der Krankenhausfinanzierung künftig noch ändern?

Neben dem Strukturfonds haben wir vereinbart – auch wenn der genaue Weg noch geklärt werden muss – dass wir die Länder finanziell unterstützen, wenn es um Investitionen in die Digitalisierung und neue Technologien geht. Dieser Bereich ist eine riesige Herausforderung für die Kliniken.

Ein dritter Punkt auf der Agenda ist es, die sogenannten Sicherstellungszuschläge praxistauglich zu gestalten. Mit diesen Zuschlägen unterstützen wir Krankenhäuser, die in der Region für die Versorgung notwendig sind, aber mit den in der Region vorhandenen Patientenfällen nicht wirtschaftlich arbeiten können.

Und ein vierter für mich sehr wichtiger Punkt ist der Umgang mit den Pflegepersonalkosten. Die Länder kommen hier ihren Investitionspflichten nicht nach. Man geht insgesamt von einem Investitionsbedarf von sieben Milliarden Euro aus, es fließen aber nur zweieinhalb. Das fehlende Geld müssen die Kliniken selbst erwirtschaften. Das geht am einfachsten, indem man beim Pflegepersonal spart. Das verbleibende Personal muss immer mehr Arbeit erledigen und klagt zu Recht. Unsere erklärte Absicht ist es, dass die Pflegepersonalkosten künftig unabhängig von den Fallpauschalen gezahlt werden – und das Geld dann nachprüfbar auch nur für das Pflegepersonal ausgegeben werden kann.

Sparzwänge haben auch dazu geführt, dass einige Krankenhäuser privatisiert wurden. Gab es 1991 noch 330 private Krankenhäuser, waren es 2016 schon 575. Sehen Sie ein Risiko darin, dass mit Privatisierungen der Einfluss der Kommunen auf die lokale Krankenhausversorgung sinkt?

Als Kreisrätin kann ich den Kommunen nur raten, alles zu tun, um das Krankenhaus in kommunaler Hand zu halten. Das bedeutet nicht, dass der Kreistag über die Anschaffung jedes EKG-Geräts entscheiden muss. Dafür braucht es dann Führungsstrukturen, die schnell, effizient und fachlich fundiert entscheiden.

In meinem Landkreis Bad Kissingen habe ich erlebt, dass vom Kreis ein Krankenhaus an einen privaten Träger abgegeben wurde. Das ist eine Entscheidung, die ich heute noch bedaure. Aber selbst mit der Unterstützung des Bundes und der Länder wird man nicht jedes kleine Krankenhaus – teilweise gibt es Kliniken mit 40 oder 50 Betten – halten können. Das wäre unter Qualitätsaspekten auch nicht immer sinnvoll. Wir müssen deshalb in kreative und flexible Versorgungsformen investieren, für eine bessere Vernetzung von Zentren mit Krankenhäusern der Grund-und Regelversorgung sorgen und die Zusammenarbeit mit Pflegeeinrichtungen und ambulant tätigen Ärzten im Sinne einer integrierten Versorgungsplanung ausbauen.

Das Interview wurde geführt von Carl-Friedrich Höck • 15. Februar 2018
und erschien auf: DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik

Bild: pixabay

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